Zusammenfassung
Hintergrund:
In Deutschland ist die Surveillance der Durchimmunisierung der Bevölkerung nur für
die Schulanfänger, jedoch nicht für Jugendliche gesetzlich verankert. Daher stehen
keine aktuellen Daten des öffentlichen Gesundheitsdienstes zur Durchimmunisierung
der Jugendlichen zur Verfügung. Es fehlen auch bundesweite Monitoringdaten zu von
der STIKO neu eingeführten Impfungen wie der HPV-Impfung bei 12- bis 18-jährigen Mädchen
(2009) oder der Meningokokken-C-Impfung (2006). Die Recherche und Analyse verfolgt
daher das Ziel festzustellen, welche Länder ein Monitoring des Impfstatus von Jugendlichen
durchführen, wie die Spanne der Durchimmunisierungsraten im Ländervergleich ausgeprägt
ist und welcher Handlungsbedarf für eine nationale Impfstrategie abgeleitet werden
kann.
Methodik:
Systematische Erhebung der Impfquoten bei älteren Schülern in den Klassen 6–10 (Altersgruppe
12–16 Jahre) für das Schuljahr 2010/11. Der vorgegebene Dokumentationsstandard beruht
auf den Standardimpfungen nach STIKO für das Kindes- und Jugendalter und erfordert
eine vollständige Grundimmunisierung (GI) sowie die Anzahl von Auffrischimpfungen.
In die Analyse wurden 8 von 16 Bundesländern einbezogen, da Daten von den anderen
Bundesländern nicht verfügbar waren.
Ergebnisse:
Insgesamt wurden in 8 Bundesländern von den Gesundheitsämtern 157 599 Schüler untersucht
und 103 250 vorgelegte Impfausweise überprüft (im Duchschnitt 68,1%, Spanne 54,9%–85,2%).
Die Umsetzung der Auffrischimpfungen zeigte sich bei den Schülern der 6. Klassen bis
10. Klassen als nicht 6. Klassen. Die von der WHO geforderte 2-malige Masern-Impfung
von 95% der Population wurde nur in 2 von 6 Bundesländern (Sachsen-Anhalt, Brandenburg)
fast erreicht. Die Auswirkung von nicht ausreichenden Durchimmunisierungsraten zeigte
sich bspw. in höheren Inzidenzraten für Masernerkrankungen bei unter 15-jährigen Kindern
und einem fortbestehenden Altersgipfel bei Pertussiserkrankungen bei den 10- bis 15-Jährigen.
Die seit 2006 eingeführte Men-C-Impfung wurde nur unzureichend bei den Schülern nachgeholt
und in den 8 Bundesländern sehr unterschiedlich umgesetzt (Sachsen 73,9% vs. Bayern
29,1%). Die HPV-Impfung bei Mädchen hat sich noch nicht etabliert (Brandenburg Maximum
39,8%).
Schlussfolgerung:
Die Daten zeigen, dass das ambulante medizinische Versorgungssystem die Jugendlichen
nicht ausreichend erreicht. Die Kooperation mit dem ÖGD zur systematischen Überprüfung
der Impfausweise in Schulen gilt es auszubauen. Nur so lassen sich Impflücken systematisch
identifizieren. Durch eine gezielte Beratung und den Weiterverweis an die niedergelassenen
Hausärzte bzw. Kinder- und Jugendärzte besteht die Chance, fehlende Impfungen nachholen
zu lassen. Catch-Up-Programme sind notwendig, um neu eingeführte Impfungen, aber auch
Nachholimpfungen zu fördern und im Gesundheitssystem zu implementieren.
Abstract
Objective:
In Germany, surveillance of the population’s immunisation is only mandatory for school
beginners, not for adolescents. Therefore, no current data are available from the
public health service related to the immunisation of adolescents. Also lacking are
nationwide monitoring data regarding HPV vaccination among girls aged 12–18 years
and the meningococcal C vaccination, both recently introduced by the German Standing
Committee on Vaccination (STIKO) in 2009 and 2006, respectively. The present research
and analysis therefore aims to determine which German states perform a monitoring
of the vaccination status of adolescents, how immunisation rates differ across German
states and what need for action, in terms of a nationwide immunisation strategy, can
be derived.
Method:
A systematic survey of vaccination coverage among students in grades 6–10 (age group
12–16 years) for the school year 2010/11 was undertaken. The defined documentation
standard is based on the standard vaccinations for children and adolescents according
to STIKO, requiring complete primary immunization (PI) and the number of booster vaccinations.
In the analysis, 8 of 16 states were included, due to lack of data for the remaining
states.
Results:
In total, the public health service examined 157 599 school children in 8 German
states and checked 103 250 vaccination certificates (on average 68.1%, range 54.9–85.2%).
The implementation of the booster vaccination among students in grades 6–10 proved
to be insufficient. The 2-dose measles vaccination, required by the WHO for 95% of
the population, was only nearly achieved by 2 of 8 German states (Saxony-Anhalt,
Brandenburg). The effects of insufficient immunisation coverage are shown by, for
example, a higher measles incidence rate in children under 15 years and a persisting
peak of pertussis incidence in 10- to 15-year-olds. The meningococcal C vaccination,
introduced in 2006, was insufficiently taken up by students and very differently implemented
among the 8 German states (Saxony 73.9% vs. Bavaria 29.1%). HPV vaccination in girls
has not yet been established (Brandenburg maximum 39.8%).
Conclusion:
Findings of this study show that the primary health care system is insufficient in
reaching adolescents. Systematic checks of vaccination certificates in schools need
to be extended, in cooperation with the public health service in order to identify
gaps in vaccination. Through counselling and referrals to general practitioners or
paediatricians there is the chance to catch up on missing vaccinations. It is necessary
to promote catch-up programmes for newly indroduced vaccinations as well as for missed
and booster vaccinations and to implement them in the health care system.
Schlüsselwörter
Impfstatus - Jugendliche - Ländervergleich - Impfstrategie
Key words
vaccination - adolescents - comparison of German states - immunisation strategy